Ansätze zur Motorisierung des Verkehrs gab es bereits seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, jedoch gelang es erst im Jahre 1886, die ersten brauchbaren Automobile zu entwickeln.
Am 29. Januar 1886 erhielt Carl Benz das Patent DRP 37435 auf ein drei-rädriges „Fahrzeug mit Gasmotorenantrieb", mit dem er am 3. Juli 1886 in Mannheim die offizielle Ausfahrt unternahm. Im August des gleichen Jahres bauten Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach ihren kleinen, schnellaufenden Verbrennungsmotor mit Glührohrzündung in eine Kutsche ein. Ein ähnlicher Motor hatte sich bereits 1885 im Petroleum-Reitwagen, dem ersten Motorrad der Welt, bewährt. Benz, Daimler und Maybach schu-fen die Grundlage für die Motorisierung des Verkehrs. Das Jahr 1886 gilt somit als das Geburtsjahr des Automobils.
Jedoch stießen die ersten Automobile in Deutschland i. allg. auf Ablehnung. Anders dagegen in Frankreich. Auf der Weltausstellung 1889 in Paris fan-den die Fahrzeuge von Daimler und Benz hohe Anerkennung, was sich in verschiedenen Lizenzabkommen niederschlug. Daimler-Motoren wurden in den Fahrzeugen von Panhard & Levassor und Peugeot eingebaut.
1893 erhielt Carl Benz ein Patent auf die Achsschenkellenkung, womit auch das Problem der sicheren Lenkung gelöst war. Ebenfalls in diesem Jahr schuf er den Victoria-Wagen. Mit solch einem Fahrzeug fuhr Baron von Liebig im Juli 1894 die erste große Fernfahrt in der Geschichte des Automobils. Die Strecke verlief von Reichenberg in Böhmen (heute Liberec) über Mannheim nach Gondorf an der Mosel und von da nach Reims in Frankreich. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,5 km/h legte er die 937 km lange Strecke von Reichenberg bis Gondorf zurück.
Die ersten Automobile waren in der Form der Kutsche nachgebildet. Große Holzräder an der Hinter- und kleine an der Vorderachse, gegenüberliegende Anordnung der Sitze, hoher Schwerpunkt und Holzaufbau prägten die äu-ßere Erscheinungsform bis etwa zur Jahrhundertwende.
Die Kraftübertragung erfolgte vor allem durch Flachriemen vom Motor auf die Vorgelegewelle und von da über Ketten auf die Hinterräder.
Großen Einfluß auf die technische Entwicklung des Kraftfahrzeuges übten die internationalen Automobilrennen aus, die 1894 mit dem ersten Rennen Paris — Rouen — Paris (126 km) begannen.
Wesentliche Detailverbesserungen kennzeichneten die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts im Automobilbau. Hubraumvergrößerungen, die Ablösung des Oberflächenvergasers durch den Spritzdüsenvergaser (1892), Verbesserun-gen an der Kühlung, der Gaswechselsteuerung und der Zündung ermöglichten Leistungssteigerungen von 1 PS (0,73 kW) auf 5 PS (3,6 kW) bei den zur Ver-fügung stehenden Ein- und Zweizylindermotoren.
1897 kam die Niederspannungs-Abreißzündung von Robert Bosch auf den Markt, die außer der sicheren Zündung die genaue Einstellung des günstigsten Zündzeitpunktes gewährleistete.
1899 konstruierte Wilhelm Maybach den Phoenix-Rennwagen, dessen Vier-zylinder-Motor bereits 23 PS (16,8 kW) leistete. Emil Jellinek siegte im gleichen Jahr unter dem Synonym „Monsieur Mercedes" mit diesem Wagen beim Rennen in Nizza. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 80 km/h. Daraufhin drängte er Maybach zur raschen Weiterentwicklung dieses Fahrzeuges, denn
der immer noch sehr hohe Schwerpunkt und der kurze Radstand machten das Fahren bei höheren Geschwindigkeiten zu einem Wagnis. 1901 war der „Neue Daimler" mit tiefer Schwerpunktlage, verlängertem Radstand, Vier-zylinder-Motor mit 35 PS (26,6 kW) Leistung, erstmals gesteuerten Einlaß-ventilen, niedrigem Masse/Leistung-Verhältnis (6,6 kg/PS), Bienenwaben-kühler und mit einer HöchstgesChwindigkeit von 86 km/h fertiggestellt.
Bereits im gleichen Jahr auf dem Rennen in Nizza zeigte sich die Überlegen-heit dieses Wagens als ihn Jellinek unter der Bezeichnung „Mercedes" starten ließ.
Der „Mercedes"-Wagen von 1901 leitete die Ära des klassischen Automo-bilbaues ein. Seitdem wird der Name als Typenmarke der Daimler-Perso-nenkraftwagen, seit 1926, mit der Fusion der Daimler und Benz Aktien-gesellschaften, als Mercedes-Benz geführt.
Mit diesem Fahrzeug vollzog sich die völlige Loslösung von der Kutschen-form — das Automobil hatte seine eigene Gestalt erhalten.
Die neue Konzeption des „Mercedes "-Automobils beeinflußte entscheidend den Automobilbau nach der Jahrhundertwende. Führende französische und deutsche Automobilfirmen produzierten bereits ab 1902 Fahrzeuge, die sich an den „Mercedes" anlehnten.
Der Automobilbau wurde im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts profit-trächtig. Eine große Anzahl von deutschen Firmen, wie z. B. Wartburg (1898), Adler und Opel (1900), NAG (1901), Horch (1903) und Brennabor (1906) begannen mit dem Bau von Personenkraftwagen.
In den Jahren bis zum 1. Weltkrieg wurden u. a. folgende technische Neue-rungen eingeführt:
1898: Kardanwellenantrieb mit Differentialgetriebe durch Louis Renault
1902: Hochspannungs-Magnetzündung durch die Firma Bosch
1910: elektrische Scheinwerfer durch die Firma Zeiss Jena
um 1912: komplette elektrische Anlage mit Batterie, Lichtmaschine, Be-leuchtung und Anlasser; zunächst in den USA, dann auch in Europa.
Das Automobil war in diesen Jahren vor allem Luxusgegenstand und Sport-objekt vermögender Käuferschichten, der Preis betrug bei den repräsen-tativen Fahrzeugen ca. 15 000 Reichsmark. Demgegenüber stand der Jah-resverdienst eines Arbeiters von ca. 1000 bis 2000 Reichsmark.
Zur Erweiterung des Käuferkreises warben die Firmen mit Kleinwagen und sogenannten leichten Wagen um Kunden aus den gehobenen Mittelschich-ten. Der Opel „Doktorwagen" (1906) oder der Dixi R 8 (1908) mit zwei Sitzen und relativ geringen Motorleistungen von 12 bis 16 PS (8,8 bis 11,7 kW) cha-rakterisierten diese Entwicklung.
Zwischen 1906 und 1910 entstanden die sogenannten Dreiradwagen, wie die Cyclonette oder das Phänomobil, die sowohl in der Personenbeförderung als auch für den Lastentransport beliebt waren.
Die Jahre von der Jahrhundertwende bis zum 1. Weltkrieg waren automobil-technisch außerordentlich erfolgreich. In dieser Zeit wurden nicht nur die Grundlagen für den klassischen Starrachsenwagen geschaffen, erweitert und gefestigt, sondern es entstanden auch viele Neuerungen, die z. T. erst Jahre später Verwendung fanden.
Source: Dr. Jürgen Ruby, Dresden